Reisen in der Neuzeit
Wie ging es nach Reisen in Frühgeschichte, Antike und Mittelalter weiter? Wie hat die menschliche Entdeckungslust das Reisen geprägt und wann wurde der Urlaub eigentlich zu etwas ganz Alltäglichem?
Die Welt entdecken: Von Kolumbus bis zum Orientexpress
DER REIZ DES UNERFORSCHTEN
Zu Beginn der Epoche der Neuzeit war das Reisen vor allem von einem besonderen Entdeckergeist geprägt: Denn 1492 machte sich der Italiener Christoph Kolumbus im Namen der spanischen Krone auf und stach in See, um eine neue Wasserroute nach Indien zu entdecken. Tatsächlich stieß er 70 Tage später auf Land und glaubte, sein Ziel erreicht zu haben. Jedoch handelte es sich hierbei nicht um Indien, sondern um Amerika – ganz aus Versehen und weiterhin nichtsahnend war er auf einen neuen Kontinent gestoßen.
Wenn auch ihm sein eigentliches Ziel nicht gelungen war, so hatte die „Entdeckung“ von Kolumbus Auswirkungen auf seine Zeitgenossen. Er inspirierte nämlich viele, sich ihrerseits auf Entdeckungsreise zu begeben und die Weltmeere zu erkunden. So entdeckte beispielsweise der Portugiese Vasco da Gama 1497 den tatsächlichen Meeresweg nach Indien und um das Jahr 1520 herum umsegelte sein Landsmann Ferdinand Magellan die Welt.
UNTERWEGS IM ZEICHEN DER BILDUNG
Dieser Entdeckerdrang ließ im 17. und 18. Jahrhundert einen neuen Reisetrend entstehen. Zunächst begannen nämlich junge Adelige und später Mitglieder des wohlhabenden Bürgertums, sich auf Kavaliersreise oder auch Grand Tour zu begeben, um sich so weiterzubilden. In fremden Ländern wollte man seinen Horizont erweitern, indem man sich mit neuen Kulturen vertraut machte und Sprachen erlernte. Die Briten waren hier Vorreiter und begaben sich auf Bildungsreise zum und durch den europäischen Kontinent: Städte wie Wien, Paris, Nizza, Rom, Florenz und Venedig wurden zu beliebten Reisezielen.
Einer der bekanntesten Bildungsreisenden war der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe. 1786 reiste er nach Italien, um die Antike zu studieren. Dabei entdeckte er seine Liebe für Italien und, was ursprünglich als eine Reise von nur wenigen Monaten gedacht war, wurde zu einem zweijährigen Aufenthalt. Seine Erfahrungen sind in seinem berühmten Werk „Italienische Reise“ nachzulesen. Unterwegs war Goethe damals mit einer privaten Kutsche und sogar einem eigenen Bett. Die meisten Menschen damals waren allerdings weniger wohlhabend als Goethe und reisten zu Fuß mit einem einfachen Wolfsfelltornister, in den ein paar Hemden, Wäsche und die Reiseapotheke passten.
REISEN AUS ERHOLUNG UND ALS STATUSSYMBOL
Nicht zuletzt inspiriert von der Romantik und ihrer Sehnsucht nach der Natur und dem Unendlichen, wandelten sich im 19. Jahrhundert allmählich die Beweggründe der Entdeckungslust. In Anbetracht der Industrialisierung und als Kontrast zum städtischen Leben sehnte man sich nach einer Auszeit und der Natur als Gegenpol. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte wurde allein aus Vergnügen und zur Erholung gereist.
Die „Sommerfrische“ war zwar schon seit dem 18. Jahrhundert ein Begriff, jedoch war sie zunächst nur vom Königshaus in ihren Sommerresidenzen auf dem Land praktiziert worden. Nun begannen auch der Adel und später das Großbürgertum, den Rückzug aus dem städtischen Leben zu suchen und für einige Tage diese frühe Art des Sommerurlaubs zu genießen. Beliebte Ziele waren Badeorte mit Seebädern oder Heilquellen, aber auch Kuranstalten, die nun vermehrt entstanden.
Auch die Alpen, die bisher in erster Linie als gefährliches Hindernis gesehen worden waren, das es möglichst schnell zu durchqueren und hinter sich zu bringen galt, bekamen nun eine neue Bedeutung. Mit der Gründung von Alpenvereinen sowie dem Entstehen von Wanderwegen und Alpenhütten kam es zum Alpintourimus. Gegen Ende des 19. Jahrhundert wurden die Alpen mit der Etablierung des Skilaufs zusätzlich zum winterlichen Ausflugsziel.
Angekurbelt durch die Industrialisierung, die mit Eisenbahnen und Dampfschiffen das Reisen günstiger machte, und den Ausbau des Straßennetzes, hatte der Reisetrend allmählich auch weitere Bevölkerungsschichten erreicht. Dies führte einerseits dazu, dass sich eine touristische Infrastruktur bildete, mit Ortschaften, die auf den Tourismus als Nebeneinkunft zählten. Andererseits suchte der Adel nun nach Arten, sich abzuheben, und wollte immer ausgefallener und luxuriöser reisen. So fuhren die Adeligen beispielsweise mit dem Orientexpress von Paris nach Istanbul oder bewunderten den Nil bei Luxuskreuzfahrten.